Personalsymposium: Ein Laptop allein macht noch kein “New Work”

Kernaufgabe für die Zukunft

Tuttlingen – „New Work“ ist kein „Nice to have“, sondern Kernaufgabe für die Zukunft. Beim Personalsymposium der MedicalMountains GmbH wurde deutlich, dass die momentan zu erlebende Veränderung der Arbeitswelt sehr viel tiefer greift. Sie setzt bei den Menschen an, bei Erwartungen, Werten und Haltungen – und ist vor allem eine Frage der Führung.


In Deutschland haben während der Pandemie rund zehn Prozent aller Arbeitenden den Job gewechselt. Mehr als 40 Prozent spielen mit dem Gedanken. Ein Spitzenwert in Europa. Diese Statistik präsentiert Inga Höltmann in ihrer Keynote und untermauert damit, was viele Medizintechnik-Unternehmen seit längerem spüren: Es ist etwas in Bewegung geraten. Woher rührt aber diese Unzufriedenheit? „Menschen kündigen keine schlechten Jobs, sie verlassen schlechte Führungskräfte“, bringt es die Gründerin der „Accelerate Academy“ auf einen Nenner.

Nur weil ein Laptop im Wohnzimmer steht, ist „Remote Work“ längst noch nicht vollendet. Dahinter verberge „so viel mehr als die technische Ausstattung“, sagt MedicalMountains-Geschäftsführerin Julia Steckeler. Es sei erfolgskritisch, sich mit Themen der Neuen Arbeit auseinanderzusetzen. Denn „so, wie sich die Welt verändert, verändert sich auch unsere Arbeit“, lautet die Eingangsthese von Inga Höltmann. Die sich rasch wandelnde Komplexität soll sich in ihrer Vielfalt in den Organisationen widerspiegeln. Nicht in Form eines einmaligen Change-Projekts, sondern durch einen fortlaufenden Austausch auf Augenhöhe. „Veränderungsprozesse sind zuallererst Kommunikationsprozesse“, gibt Inga Höltmann zu bedenken. Sie formuliert drei Impulse: An Glaubenssätze und Werte herangehen, Ängste offenlegen, und nicht zuletzt: „Stellen Sie Ihre Meetings auf den Prüfstand.“ Dazu passt der praxisnahe Blick von Silke Nevermann. Die Inhaberin von „Office Concepts“ in Hamburg empfiehlt, bei Meetings die Aufgaben wie Moderation und Protokollierung auf mehrere Schultern zu verteilen – und ohnehin mehr Kollaborationswerkzeuge zu nutzen. Zudem sei es wichtig, auch online Nähe zu schaffen. Beispielsweise, indem Remote-Zeit gezielt für den persönlichen Austausch geschaffen wird. Bei dem über alles gesprochen wird, nur nicht über die Arbeit.

Wie „New Work“ in der Praxis aussieht, davon berichtet Rainer Feldhaus, Bereichsleiter Personal & Recht bei der Deutschen Sparkassen Verlag GmbH (DAV). Auch er nimmt die derzeit hohe Fluktuation in anderen Branchen wahr: „Die fehlende Identifikation mit dem Unternehmen führt zu einer Austauschbarkeit des Arbeitgebers.“ Hier setzt der Hebel an: Innerhalb der DAV-Gruppe seien die Mitarbeiter auf die Veränderungen der neuen Arbeitswelt vorbereitet und in die einzelnen Schritte einbezogen worden. „Vertrauen, Eigenverantwortung, Selbstorganisation“ sind die Schlagworte, die diesen Prozess begleiten. Dafür brauche es durchaus Mut, die eigene Aufgabe neu zu denken und zu verstehen – der durch zufriedene Mitarbeiter belohnt werde.

Dr. Frank Oberzaucher, Soziologe an der Universität Konstanz, schlägt den Bogen von Mut zu Kreativität. Sie gelingt dort, wo Angstfreiheit herrscht und Scheitern als Teil des Entwicklungsprozesses angesehen wird. So kann eine Organisation resilient werden. Resilienz auf physischer Ebene weitergedacht, führt zu Martin Fehr. Der Gesundheitswissenschaftler vermittelt einfache Übungen zur Dehnung, Kräftigung, Entspannung und Koordination, die einfach in den Berufsalltag integriert werden können. „New Work“, so der Eindruck, geht im besten Fall in Fleisch und Blut über.

„Veränderung braucht nicht nur Mut“, fasst Julia Steckeler zusammen, „sondern auch Energie und Ausdauer – gerade in stark regulierten Branchen wie der Medizintechnik“ Mit einem agilen Mindset gelinge eine Kultur, „in der Mitarbeiter wachsen können und als Menschen, nicht als bloße Ressource wahrgenommen werden.“ Die Bedeutung dieses Wandels spiegelt sich auch in dem von der MedicalMountains GmbH initiierten Visionsprozess für die Medizintechnik wider. „New Work“ ist von den beteiligten Unternehmen als ein zentrales Zukunftsthema definiert worden. Wie es am besten angegangen und umgesetzt werden kann, wird in den kommenden gemeinsamen Workshops erarbeitet und in konkrete Handlungsempfehlungen überführt.