EMA & HTA: Praktische Ausgestaltung wirft Fragen auf

Beim MedTalk wurden Entwicklungen skizziert

Tuttlingen – Die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) erhält mehr Kompetenzen bei Medizinprodukten, das Health Technology Assessment (HTA) nimmt Gestalt an: Beim jüngsten MedTalk der MedicalMountains GmbH wurden die Entwicklungen skizziert – und im gleichen Atemzug mit Fragezeichen versehen, wie in beiden Fällen die praktische Ausgestaltung erfolgen soll.


Bis zur Covid-19-Pandemie führte die bereits 1995 gegründete Europäische Arzneimittelagentur (EMA) im Medizinproduktesektor eher ein Schattendasein. Nun soll ihre Rolle bei der Krisenvorsorge und -bewältigung weiter gestärkt werden, wie bereits der Titel der seit 01. März 2022 geltenden Verordnung (EU) 2022/123 verdeutlicht. Dr. Meike Kapp-Schwoerer und Dr. Jan Henning Martens von der Kanzlei Friedrich Graf von Westphalen & Partner (Freiburg) stellten bei dem MedTalk das Regelwerk vor. Darin wird die „Lenkungsgruppe“ eine zentrale Rolle spielen. Sie soll eine Liste kritischer Produkte für „Notlagen im Bereich der öffentlichen Gesundheit“ erstellen – beispielsweise Beatmungsgeräte –, tatsächliche oder potenzielle Engpässe identifizieren und Handlungsempfehlungen geben. Wobei die Frage aufkam: Wie soll das Meldesystem aussehen, zumal EUDAMED noch nicht vollständig einsatzbereit ist? Wird den Unternehmen eine Berichtspflicht über Bestände oder Marktanteile auferlegt? Da auch Händler und deren Angaben ins Spiel kommen, hielten es die Anwälte für denkbar, künftig eine entsprechende Informationspflicht der Händler in die Vertriebsverträge aufzunehmen, etwa für die Abfrage des Lagerbestands bei den Kunden.

Fast schon in einem Nebensatz der Verordnung, in Artikel 30, wird die Rolle der EMA bei den nach EU-MDR zu benennenden Expertengremien erwähnt. Im Wesentlichen handelt es sich um administrative und technische Unterstützung; die Agentur soll aber der Europäischen Kommission und der Koordinierungsgruppe Medizinprodukte jährlich Bericht über die Arbeit der Expertengremien erstatten. In der Diskussion wurde angemerkt, dass die EMA bislang kaum Berührungspunkte mit Medizinprodukten gehabt habe. Doppelstrukturen müssten vermieden, der Industrie nicht noch mehr regulatorischer Aufwand aufgelastet werden. Insgesamt, so der Eindruck, sei die Verordnung unter dem Eindruck der vergangenen zwei Pandemie-Jahre „mit heißer Nadel gestrickt“ worden.

Etwas greifbarer, wenn auch nicht bis ins Letzte konkret, stellen sich die nächsten Schritte beim Health Technology Assessment dar. Grundlage ist die Verordnung (EU) 2021/2282. Vereinfacht gesagt soll das HTA als Entscheidungshilfe dienen, welche Verfahren in die öffentliche Gesundheitsversorgung aufgenommen werden sollen. Dr. Meike Kapp-Schwoerer und Dr. Jan Henning Martens machten deutlich, dass es sich dabei nicht um eine regulatorische Prüfung oder um einen Eingriff in die Konformitätsbewertung handle. Vielmehr solle darüber entschieden werden, welche Mehrwerte eine Gesundheitstechnologie gegenüber der anderen habe. Ausgesprochenes Ziel sei, Patienten in der EU einen einheitlichen Zugang zu innovativen Verfahren zu ermöglichen – das Erstattungswesen bleibe hingegen weiterhin eine nationale Angelegenheit. Berücksichtigt werden beim HTA aktive Produkte der Klasse IIb und implantierbare Produkte der Klasse III. Das gilt zumindest vorerst, denn es können weitere Produkte hinzukommen. Die Kriterien hierfür seien jedoch ebenso unspezifisch wie die Vorgaben für den klinischen Bewertungsbericht, zeigten die beiden Referenten auf. Gleichwohl rieten sie, die herstellerinterne Dokumentation an den inhaltlichen Rahmen des HTA anzupassen, da Entwickler von Gesundheitstechnologien ein klar strukturiertes Dossier einzureichen hätten. Dafür bleibt zumindest noch etwas Luft: Geltungsbeginn ist der 12. Januar 2025, gefolgt von einem schrittweisen Ausbau bis 2028.

Weitere Informationen
Die im Text genannten Verordnungen sind unter diesen Adressen abrufbar:

Verordnung (EU) 2022/123 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Januar 2022 zu einer verstärkten Rolle der Europäischen Arzneimittel-Agentur bei der Krisenvorsorge und -bewältigung in Bezug auf Arzneimittel und Medizinprodukte
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX:32022R0123

Verordnung (EU) 2021/2282 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Dezember 2021 über die Bewertung von Gesundheitstechnologien und zur Änderung der Richtlinie 2011/24/EU
https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX%3A32021R2282